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Sachbuch

Status
verfügbar

Zweigstelle
Stadtbibliothek Göppingen
Standort
1. OG - Geschichte-Gesellschaft-Politik
Titel:Führung und Verführung
Beteiligte:Gamm, Hans-Jochen [Hrsg.]
Titelzusatz:Pädagogik d. Nationalsozialismus ; e. Quellensammlung
Verfasserangabe:Hans-Jochen Gamm
Erschienen:2. Aufl., mit e. neuen Einl. u.e. Erg.-Bibliogr. - Frankfurt/Main ; New York : Campus-Verlag, 1984. - 491 S. : graph. Darst.
ISBN13:978-3-593-33414-1
Standort:Deutschland
Schlagwort(e):Deutschland < Deutsches Reich > ; Drittes Reich ; Nationalsozialismus ; Erziehung ; Pädagogik ; Hitler-Jugend ; Bund Deutscher Mädel ; Familienbeziehung ; Familienerziehung ; Familienleben ; Familienpolitik ; Quellensammlung
Annotation:Die ges. Bildungs- und Erziehungsarbeit des völkischen Staates muß ihre Krönung darin finden, daß sie den Rassesinn und das Rassegefühl instinktiv und verstandesmäßig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt. Es soll kein Knabe und kein Mädchen die Schule verlassen, ohne zur letzten Erkenntnis über d. Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt worden zu sein.“ Autor dieser Programmsätze war Adolf Hitler. 1933 bis 1945 wurden sie in die Tat umgesetzt. Heute muten sie an wie aus einer anderen, verrückten u. bösen Welt. Aber diese Distanz ist trügerisch. D. Leser der vorliegenden Dokumentation wird sich dessen schnell gewahr. Was der Herausgeber, Prof. für Erziehungswissenschaft an der Päd. Hochschule in Oldenburg, unterbreitet, ist eine qualvolle Lektüre, bei d. einem der Atem vergeht, das Hören und Sehen. Wo man – ob des Unsinnes, der einst Staatsphilosophie und -pädagogik war – zum Lachen ansetzt, bleibt einem „Blut und Erde“ im Halse stecken. Da ist jeder Satz durchtränkt von Gewalt, derer man die Sprache nie für tragfähig gehalten hätte. Da ist alles „Wille“, „Kraft“, „Kampf“, jedes Schlagwort eine Panzerfaust, ein Volltreffer, ein Tat-tat-tat von Maschinengewehren. Wer d. Frage ernst nimmt – wie es dazu kam, daß liebe Familienväter zu Mördern wurden –; wer sich bewußt ist – daß all dies kein Alptraum, sondern Wirklichkeit war, die Ursprung und Nachwirkung hat –, muß diese Dokumente über nazistische Erziehung lesen. Er wird eine endgült. Antw. nicht finden. Wirklich begreifen kann man ohnehin nicht, was hier schwarz auf weiß geschrieben steht. D. Zurückführung aller Probleme auf „volkliche Schlichtheit“ in einem fortgeschrittenen zivilisatorischen Zeitalter, in dem sich das Menschsein doch gerade durch seine Differenziertheit auszeichnet, entzieht sich jeder Logik und Moral. „Deutscher sein, heißt Charakter haben“, liest man hier und traut seinen Augen nicht. Gamm ist dem Wahn entgegengetreten. Seine Sprache i. d. 44seitigen Einleitung und in den kurzen, prägn. Kommentaren zu den 97 sorgfältig ausgew. repräsentativen Dokumenten zeugt von einer wirklich humanen Haltung. Er hat d. wohl einzig richtigen Weg gefunden, der uns in diesem Stadium – erst zwanzig Jahre nach d. Reich des Schreckens – gegeben ist, der, ich glaube, auch die einzige Voraussetzung für ein künftiges Verstehen sein kann: In Gamms Kommentaren paaren sich Objektivität und der Versuch zu begreifen mit offener Empörung und Verdammung. Vornehme Zurückhaltung und Wertfreiheit, wie sie die reine Wissenschaft fordert, wäre hier fehl am Platze – wäre Überheblichkeit, ein Zurückstecken vor jener Gewalt, die uns heute noch verfolgt. Eine gute Pädagogik würde aus der Antinomie zwischen Wirklichkeit und Anspruch die Konsequenz einer Erziehung zu vernünftigem und sozialkritischem Denken ziehen. Die nazistische „Lösung“ des Zwiespaltes aber war pathologisch. Sie verherrlichte die in der antagonistischen Industriegesellschaft erzeugten Zerstörungstriebe, warf die Humanität als Schwäche und Domestikation über Bord und ließ „echten Urkräften“ und „Urtrieben“ freien Lauf. Diese anti-zivilisatorische „Weltanschauung“ hatte Erfolg, denn sie ersparte ihren Anhängern die Last des Zwiespaltes und Zweifels. Sie brachte alles, was die Menschen bedrückte – ihre Angst in einer unüberschaubar gewordenen Welt, ihre Entfremdung und Knechtschaft in der technischen Apparatur – auf die allereinfachste Formel: die der „erlösenden Tat“, der Vernichtung. Genau wie die daraus folgende Triebenthemmungspädag. auf die „jungen Rasse- und Volksgenossen“, d. als Nachwuchsmörder designiert waren, wirkte, wissen wir nicht im einzelnen. Gottlob war die Zeit der Verführung zu kurz, als daß wir heute das Resultat konkret vor Augen hätten. Quellenbeispiele aus Lehrbüchern erläutern das „NS-Bildungsgut“. Aufgabe für Mädchen der 6. Klasse: „Berechne, wieviel Arbeitersiedlungen zu je 8000 RM könnten für die Summe errichtet werden, die das deutsche Volk für Erbkranke aufbringen mußte“ (1942). Stundenpläne zeigen das Gewicht der Fächer, die damals besonderer Förderung wert schienen, voran immer wieder die „Leibesstählung“. „Gelobt sei, was hart macht.“ Wichtig war aber auch d. bloße technische und d. militärische Wissen, d. freilich nur für besonders rassisch „Geeignete“. Der Mädchen- und Frauenbildung widmet Gamm ein eigenes Kapitel, dem, was „volksmütterliche Durchbildung“ und „Gebären als Dienst und Kampf“ hieß. – „Den Intellektualismus lehnen wir als ungesund ab“, so d. NS-Lehrerinnen. Das nazistische Volksschulprg. läßt sich in wenigen Stichw. zusammenfas.: „Auf das Wesentliche gekürzte Allgemeinbildg.“ (alles andere, schreibt Hitler, ist „überflüssiger Ballast“), „Wecken des Bewußtseins“, das heißt gerade noch so vielen Scharfsinnes, um den Dünkel durch Irr-Rationalität zu verhärten: „Die Bedeutung der Rasse zu erkennen“; an „Blut und Boden“ zu glauben; die Notwendigkeit einzusehen, dem Führer unbedingten Gehorsam zu leisten.

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85/661 Stadtbibliothek Göppingen Details verfügbar

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